Sonntag, 30. November 2008

Abschied im Advent











Gestern im Zentrum, an der Kathedrale auf der Plaza mayor. Palmen, Sturmwägen ("asalto") an beiden Seiten des Präsidentenpalastes, darinnen junge Soldaten, die in der Hitze vergehen müssen. Besuch im Dominikanerkloster.

Heute ist erster Advent, wir sind in der deutschen Gemeinde in Lima. Bischof Gerhard Ludwig feiert den Gottesdienst. Er sagt, wir sollten uns "diese adventliche Zeit zueigen machen, um mit neuer Hoffnung gestärkt zu werden". "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" bei leicht schwülen Temperaturen, ein großer Kirchenchor singt mehrstimmige Lieder. Während die deutsche Gemeinde, mehrere hundert Gläubige, anschließend im Garten einen vorweihnachtlichen bazar navideño feiert, macht sich für die Regensburger Delegation Abschiedsstimmung breit.
Auf alle Fälle lässt sich sagen, dass es eine intensive Zeit war, die wir hier in der Hauptstadt erlebten. Einmal mehr war zu erfahren: Der Glaube, zumal der katholische, trägt auch auf dieser Seite der Erdkugel viele viele Menschen, auch wenn die Zukunft mehr als ungewiss ist. Die Kirche ist und bleibt katholisch, Gott sei Dank. In der peruanischen Presse hat die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Bischof Müller ein sehr positives Echo ausgelöst.

Heute, Sonntagnachmittag, ist das Dauerhupen auf den Straßen der Stadt verschwunden. Pfarrer Tibor Szeles, der seit wenigen Monaten der deutschen Gemeinde vorsteht, hat uns exzellent aufgenommen. Er hat geholfen, wo er konnte, diskret und stets im Hintergrund. Dafür ihm herzlichen Dank!

Knapp drei Stunden vor dem Flug gilt es am Flughafen zu sein. Packen, ausruhen, aufbrechen. Auf Wiedersehen! Veit Neumann

Schuhputzer


Nur noch wenige Stunden in Lateinamerika. Gestern wurde einem Bischof noch ein Besuch abgestattet. Eine der Fragen, die besprochen wurde: Hat es die katholische Kirche vermocht, mit der Kultur Lateinamerikas eine Symbiose einzugehen? Oder sind es die zahlreichen evangelikalen Sekten, die dies in nur 20 Jahren geschafft hätten?

Absehbar ist: Lateinamerika wird in Zukunft wie alle anderen Teile der Welt auchvon einer zunehmenden Vielfalt an religiösen Strömungen und Ansichten bestimmt werden. Jedenfalls wird der Katholizismus weiter bestimmend sein. Auch wenn sich manches Vakuum nun zeigt, in das Sekten hineinstoßen - eine Annahme der Wirklichkeit zusammen mit einer weiteren Einsenkung des christlichen Glaubens in das Herz Lateinamerikas wird nur der katholischen Kirche gelingen, bei allen Spannungen, in denen sie steht. Glaube und Vernunft zu verbinden, dies wenigstens zu versuchen, ist anstrengender als manches andere Religionsevent. Vor allem muss die Kirche Kirche des Volkes, aus Peru für Peru, werden bzw. bleiben. Übrigens sind viele Bemühungen, die aus christlicher Nächstenliebe unternommen werden, gar nicht sichtbar, etwa die Förderung der Stadtteilarbeit durch katholische Hilfswerke, die nicht unmittelbar das katholische Bekenntnis berührt. Aber das zeigt nur: Es geht um das Wohl des ganzen Menschen.

Beeindruckt haben die peruanischen Misioneros, die den Glaubensimpuls aufgenommen haben und innerhalb Perus weitertragen möchten und dies auch tun. Sie wissen sehr gut, wie der katholische Glaube weitere Wurzeln schlagen kann. Und das fängt schon bei der Wahrnehmung des Alltäglichen an: Führen Schuhputzer auf den Straßen eine unwürdige Tätigkeit aus? Für Europäer ein zunächst ungewohnter Anblick. Es ist die Hoffnung, dass die katholische Kirche weiterhin die Kraft hat, dem geschundenen Kontinent zu dienen. Denn auf vielen Antlitzen scheint das geschundene Antlitz Christi.

Samstag, 29. November 2008

Der Höhepunkt

Die Kritik hat gesessen. In seinen Dankesworten geiselt Bischof Gerhard Ludwig den derzeitigen Neoliberalismus, der in der Finanzkrise sichtbar wird und an den Armen ausgeht. Die Kräfte des freien Marktes bringen nicht von selbst ein soziales Ergebnis hervor.
Der Saal ist übervoll, neben den Professoren und einigen Bischöfen sehe ich viele Studenten, etliche von den Missioneros, die uns von den hinteren Bänken zuwinken, und: Gustavo Gutierrez. Er kam eigens aus den USA zur Ehrendoktorwürde des Bischofs, fliegt morgen wieder zurück. Als sich die beiden herzlich begrüßen, bricht ein Blitzlichtgewitter los: der weltbekannte Befreiungstheologe und der deutsche Bischof, der Peru theologisch und pastoral als zweite Heimat kennt.
Die Laudatio von Dr. Lerner spannt einen weiten Bogen, rühmt das theologische Schaffen des Ehrendoktors – darunter das Buch mit Gutierrez -, kommt immer wieder auf die Regensburger Rede des Papstes zu sprechen, auf das Verhältnis von Vernunft und Glaube, und kritisiert das Konzept einer "Neo-Universität", die nur auf einem verkürzten Vernunftverständnis aufbaut.
Die Dankesworte des Bischofs werden zu einem biographischen Bekenntnis: "Die Theologie der Befreiung ist für mich verbunden mit dem Gesicht von Gustavo Gutierrez." Am Anfang stand ein Seminar, das Gutierrez in München gehalten hat. Mehrere Besuche folgten: theologischer Austausch, Besuche in Anden-Dörfern mit Prof. Josef Saier, verschiedene Projekte. Als er den hl. Bartolome de las Casas und Gustavo Gutierrez zitiert, geht ein Murmeln durch den Saal: "Gott oder Gold?" Immer wieder spielt er auf die peruanischen Erfahrungen der Vergangenheit an. Und betont die Personalität des christlichen Glaubens gegen die apersonalen Formen des Marxismus: Jeder Mensch hat ein Gesicht, ein Herz, weil Gott Mensch geworden ist. Hier verteidigt er auch Gustavo Gutierrez gegen falsche Angriffe und fordert eine christliche Spiritualität der Menschenrechte. "Deus caritas ist, das ist das Ziel und das Mittel der Befreitung und Vollendung des Menschen hin auf den dreieinen Gott."
Nach einer guten Viertelstunde erhebt sich der ganze Saal zum langanhaltenden Applaus. "Der traut sich", bekennt ein Bischof Frau Öfele gegenüber. Und der neue deutsche Botschafter meint später schmunzelnd beim Essen: "Formal bin ich Protestant, aber sozial und politisch bin ich nach allem, was ich heute gehört habe, katholisch."
Michael Fuchs

Freitag, 28. November 2008

Befreiungstheologie - ohne eine wie auch immer geartete Ideologie







Der Campus der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru ist 44 Hektar groß, kaum zu glauben. Und er liegt mitten in Perus Hauptstadt Lima, zwar nicht im historischen Zentrum, aber doch immerhin zentral genug. Und vor allem in Sichtweite des internationalen Flughafens. Etwas über 90 Jahre ist die renommierte Institution alt, die viele internationale Kontakte pflegt (etwa auch mit der Freien Universität Berlin). Ein internationaler Kontakt ist nun hinzugekommen: Die Pontificia Universidad Católica del Peru hat den Regensburger Bischof mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet, wie vor ihm bereits den heutigen Papst Benedikt XVI., der zur Verleihung auch eigens aus Rom angeflogen kam, und den Kardinal von Tegucigalpa in Honduras.

Während des Gangs der Delegationen aus Regensburg und aus der Leitung der Universität zum Audimax begegnen zahlreiche Studenten und Studentinnen. Sie alle wissen, welche Chance ihnen die Ausbildung an der Universität bietet. Vor der Universitätskapelle wird bei leicht schwülen Temperaturen bereits der Weihnachtsbaum geschmückt, in dem Gotteshaus bauen Studenten die Krippe auf. Dann also zum Akademischen Festakt ins adrette Audimax, wo die Professoren allesamt ein weiß-gelbes Band mit Medaille der Universität ("Et lux in tenebris lucet") tragen. Fest angestellt an der Hochschule sind rund 400 Professoren, dazu kommt eine wesentliche höhere Zahl an Professoren, die hier stundenweise wirken. Auch das Prestige zählt nicht unerheblich.

Auf die Rede des Bischofs, der über die Bedeutung der Befreiungstheologie heute, also beinahe 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Zwangssystems in den Ländern Mittel-, Mittel-Ost- und Osteuropas spricht, folgt anhaltender Beifall. Alle erheben sich. Welcher Politiker, welcher Entscheidungsträger kommt sonst noch aus Europa nach Peru und spricht den Menschen aus der Seele? Vor allem vor dem Hintergrund profunder Kenntnisse des Landes (Bischof Müller ist Quechua nicht fremd, wenn er auch seine pastoralen Einsätze im Süden Perus auf Spanisch gestaltet hat; aber er kann Lieder auf Quechua singen). Immerhin ist Josef Sayer, Geschäftsführer des Päpstlichen Hilfswerks Misereor (Aachen), Priester der Erzdiözese Cuzco. Und das Erzbistum Freiburg die Partnerdiözese für die rund 40 Diözesen in Peru.

Dennoch: Die Freude ist deutlich, dass einer über die Ungerechtigkeit spricht, die in Lima und im ganzen Land schreiend ist. Außerdem treibt Bischof Gerhard Ludwig Müller keine wie auch immer geartete Ideologie, die es den Peruanern überzustülpen gälte. Sein Anliegen ist der katholische Glaube.

Natürlich drückt sich der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Christoph Müller, im anschließenden Gespräch sehr diplomatisch aus. Allein er kann nicht umhin, seine Sympathie gegenüber dem Gesagten auszudrücken. Es lobt, auch wenn er bekennt, nicht katholisch zu sein, die "klaren Worte gegenüber den politischen Akteure angesichts der fortdauernden extremen sozialen Unterschiede in Peru".

Die Fahrt und das Bergdorf


2 ½ Stunden fahren wir nach Quives. Die Fahrt war so interessant wie der Aufenthalt. Nicht die schöne Land(wirt)schaft in dem Flusstal, sondern: Der Bischof erzählte plötzlich (endlich).
Das Dorf war 3000m hoch gelegen. Seit ´88 war der Bischof viele Jahre jeden Sommer für Wochen dort als Seelsorger. Was man da macht, will ich wissen. Jeden Tag ein anderes Dorf besuchen. Manchmal ist man einen ganzen Tag unterwegs – einfach. Dort wird die Messe gefeiert, Kinder getauft, Tote begraben, Katechese gehalten. Manchmal kommen die Leute noch von weit her und brauchen das Wort des Priesters, auch oft nachts, weil sie wieder heim müssen und die Wege weit sind.
Apropos nachts: Die Stiche der Flöhe in der Nachtdecke scheint er heute noch spüren. "Einmal hatte ich 60 Stiche", erzählt er, das Auslegen der Decke in der Tagessonne helfe. Beim Liegen in der Nacht ist das Atmen beschwerlich auf dieser Höhe. Immer wieder muss man sich aufrichten, um genug Luft zu bekommen. Um 3 Uhr stehen alle auf, weil es zu kalt ist zum Liegenbleiben.
Betten gab es ohnehin nicht, auch kein fließendes Wasser.
Ich verstehe jetzt, warum er mir beim Flug auf meine Frage, was ein typisches Essen in Peru sei, wohlwollend antwortete: "Das ist eine touristische Frage." Ihn treiben andere Fragen um.
Michael Fuchs

Misereor und der Platz für Menschen

Bisher hatten wir die ärmsten Gegenden nur von unten gesehen, heute fahren wir in eine solche Schlucht, die sich zwischen die Berge hinein nach oben schiebt. Die langen Fahrt nervt – die größten Straßen sind voller Löcher, immer wieder strapazieren Bremswellen unser Kreuz und von links und rechts zwängen sich sooft Busse und Mopeds, dass ich zwischen durch die Augen schließe. Eine Stunde später sehne ich sie mir herbei: Wir kriechen mit unserem Kleinbuss einen Schluchtweg hoch, zwischen notdürftigen Hütten und leicht befestigten Kleinhäusern.
Zu Fuß kommen wir an einen gepflasterten Platz. Ich wundere mich, dass dem Platz eine eigene Säule mit Gedenkstein der Erbauung gewidmet ist. Der Mitarbeiter von DESCO, eine Nicht-Regierungs-Organisation, mit der Misereor in Lima arbeitet, erklärt uns, wie wichtig der Platz ist: der einzige, befestigte Platz, Versammlungsort für die "Häuser" ringsum, Spielplatz für die Kinder, usw. Hier werden die "zentralen Entscheidungen getroffen" und "die Projekte geplant". Die Begriffe wundern mich – noch.
Während der junge Mann von DESCO noch erklärt, geht der Bischof auf eine Frau zu, die in der Nähe steht, und fragt sie über den Platz, über die Bauphase und darüber, was er für sie bedeutet.
Weitere Bauprojekte der Nachbarschaften sind Treppen. Jede ist mit einem Gedenkstein versehen, in der Nacht sehr hilfreich. Bei der Heimfahrt entdecken wir später unzählige dieser farbigen Treppenwege an den Hangsiedlungen.
DESCO hilft mit Misereor-Unterstützung noch bei vielem andern: Irgendwo schnappe ich den Begriff "Mikro-Unternehmen" auf: Ein paar Männer, die keine Arbeit in der nahen Zementfabrik im Tal finden, lernen, Schuhe zu machen, gute Schuhe, die in den steilen Bergen länger halten als chinesische Ware und die sie in den Hangsiedlungen verkaufen. Oder Kinder im Grundschulalter backen und verkaufen die Plätzchen an die Nachbarn oder auf den "fereas", Feste mit Musik, Tänzen, Spielen und eben den kulinarischen Köstlichkeiten.
Die DESCO-Leute kommen jetzt wie auch Frau Ahr von Misereor nicht mehr zum Reden. Die Bewohner dort stellen alles vor. Weiter unten sind wir in einem Kindergarten – viele Mütter sind die einzigen Geldverdiener der Restfamilie; die Schule hat heute nur die Nachmittagskochklasse mit den erwähnten Backkurs, weil die Lehrer/-innen auf Fortbildung sind.
Alles ist sehr, sehr einfach gebaut. Immer wieder ein Platz wie am Anfang, in manchen Hütten werden Lebensmittel zum Verkauf angeboten. Große blaue Plastik-Tonnen bergen das Wasser. Den Abfall holen die kleinen Dreirad-Lkw´s der Stadt.
Kurz erwähnt der Bischof uns gegenüber andere Misereor-Projekte, die er mit dem Leiter von Misereor in Deutschland, Professor Josef Saier angeschaut hat. Nicht ohne Grund ist der Bischof auch in der Misereor-Kommission der Bischofskonferenz.
Es ist viel geschehen, seit sich die Menschen hier angesiedelt haben. Misereor hilft nur. Getan, geplant, gebaut haben es die Leute selbst: Plätze, Treppen, Schulen, Mikro-Unternehmen: eine Mikro-Gemeinschaft.
Es ist auch mit mir viel geschehen. Ich muss das Wort "Slum" aus meinem Wortschaft streichen. Vielleicht habe ich noch keinen gesehen. Es klingt wie "Schlamm", wie der erste dreckige, anonyme Eindruck aus der distanzierten Vogelperspektive. Wir sind jedoch vielen lieben und mutigen Menschen begegnet, Gesichtern, Herzen. Gewalt ist hier kein Thema, sagt der DESCO-Mann. Irgendwie wundert es mit jetzt gar nicht mehr.
Bei der Heimfahrt erzählt uns Bischof Gerhard Ludwig, dass die Stadt bis vor wenigen Jahren solche Siedlungen regelmäßig mit Bolldozern platt machte, weil illegal. "Die wollten nicht die Armut bekämpfen, sondern die Armen."
Michael Fuchs

Der Respekt vor der Wirklichkeit der Armen - und das "Ich bin bereit" vor Gott


Menschen, die bereits stolz darauf sind, wenn sie einen kleinen Platz haben, an dem sie sich versammeln, singen, tanzen und sich freuen können. Der Weg zur Armensiedlung, in der bereits ein solcher kleiner Platz ein Grund zu großer Freude ist, ist - wie so oft in Perus Hauptstadt - weit, und ich frage mich wiederholt, wie Menschen in einer solchen Wüste leben können. Denn buchstäblich um eine Wüste handelt es sich hier, um Schluchten zwischen Bergvorsprüngen, wo es keine Vegetation gibt; nur Stein und Staub.

Aber müssen nicht auch Kinder, die hier aufwachsen, diese frühen Eindrücke ihres Lebens lieben und ein Leben lang im Herzen bewahren? Können Politiker, die das Abräumen eines solchen Lebensraumes befehlen, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, überhaupt ihre eigene Kindheit schätzen?

Natürlich werden die Kinder, die heute in der Hütte des Kindergartens für uns einen kleinen Tanz aufführen (die Kleinsten nehmen sich bei der Hand und wackeln zur Musik), erfahren und wissen, dass sie benachteiligt sind. Aber gibt es nicht auch Hoffnungsschimmer, die nicht als Vertröstungen misszuverstehen sind? Der den Armen eigenste Stolz, mit dem sie ihre prämierten Produkte präsentieren, mit dem sie willkommen heißen, mit dem sie umarmen und auch wieder verabschieden, kann ihnen nicht genommen werden. Dies als etwas besonderes zu empfinden, ist keine falsche Sozialromantik.

Und die Misioneros, die am Nachmittag in Quives, Geburtsort der ersten heiligen ganz Amerikas, der heiligen Rosa, Fußball spielen, während wir bei offenem Fenster mittagessen? Begeistertes Rufen, ja Schreien ("goooooll"), als ein Tor fällt. Alle wollten sich anschließend, bei der Pokalüberreichung durch den Bischof, mit ihm ablichten lassen. Festhalten des Augenblicks, die Schönheit des Augenblicks greifbar und sichtbar erhalten.

Der Stein, auf dem die heilige Rosa lange Stunden betete, der in ihrer Geburtshütte zu sehen ist, er wird von vielen Gläubigen angefasst. Schön war der unverkrampfte Umgang mit Sichtbarem, Symbolischem und einfach Schönem, als tags zuvor ein Mädchen unendlich viele weiße Blütenblätter auf ein weißes Tuch streute, unter dem die drei Misioneros lagen, die im Rahmen des Pontifikalamts mit Bischof Gerhard Ludwig ihre Ewigen Gelübde ablegen. Sie lagen ausgestreckt vor dem Altar, und die vielen Menschen aus der Armensiedlung riefen die Heiligen, nicht zuletzt die heilige Rosa, um Fürbitte für die ernsten, aber bereiten Männer an. Die hatten zuvor vor allen, vor allem aber vor Gott kundgetan, dass sie nun bereit seien: "Presente!!!"

Donnerstag, 27. November 2008

Oasen gegen die Anonymität

Nachmittag fährt uns Felipe zwei Stunden ins Landesinnere und wir treffen zwei Schwestern aus unserer Diözese: "Ich bin schon längst mehr Peruanerin als Deutsche", bekennt Sr. Consilia, die aus Steinach stammt. Als sie vor 44 Jahren als 23-Jährige begann, waren fast alle Schwestern Deutsche. Mit Nachdruck setzte sie sich dafür ein, dass spanisch gesprochen wird, wenn eine peruanische Schwester am Tisch sitzt. Jetzt sind es noch wenige Deutsche und die jungen peruanischen Schwestern studieren in Deutschland und Spanien und kehren nach Peru zurück.
Schwester Salesiana aus Immenreuth ist für den Betrieb des Exerzitienhauses mitzuständig - eine geistliche Oase. Durch die Sonntagszeitung und den wöchentlichen Email-Kontakt mit ihrem Bruder zuhause kann sie mir viel erzählen über Pfarrei und Dorf.

Es sollte nicht die letzte Oase sein. Denn abends ist für die "Missioneros" ein großes Ereignis: drei Ewige Professen. Aber wo! Ventanilla wurde uns als Armenviertel angekündigt, doch die Ecke des Viertels, in die wir kommen, besteht nur aus Hütten auf Sand auf einem steilen Hügel. Später hat die Stadt Strom und regelmäßig aufgefüllte Wassertonnen organisiert. Im Gegensatz zum Viertel des Vormittags ist dieses "junge Dorf" genannte Viertel erst vor etwa acht Jahren entstanden. Arm sind die Menschen, doch Gewalt ist (noch?) kein Thema.
Am unteren Ende haben die Missioneros mit Hilfe unserer Diözese und des Kolping-Diözesanverbandes ein Pfarrzentrum errichtet: Kirche, Pfarrsaal, Pfarrhaus.
Die Leute kommen, nicht nur Angehörige der drei Missioneros, auch viele Mütter und Kinder. Ein übergroßes Bild an der Fassade begrüßt den Bischof.
Die liturgische Arbeit ist auch Sozialarbeit: 42 Kinder zwängen sich auf die relativ kleine Empore zum guten Kinderchor, alle haben sie einen weißen Umhang, den sie nachher voller Stolz zeigen.
Die Kinder im Volk bekommen Luftballons mit in die Bank, die bis zum Ende alle das tun, was Ballons zu tun pflegen. Keinen stört es, auch nicht ein Dauermurmeln der Kinder. Sie gehören einfach dazu.
Gleich am Anfang der Messe werden die Kandidaten aufgerufen und antworten frisch und deutlich: "Presente", "Hier bin ich". Bischof Gerhard Ludwig lobt die Präsenz der Missioneros und spricht ihnen in einer auf spanisch frei gehaltenen Predigt Mut zu. Bewusst verbindet diese Kongregation die sozial schwierigsten Pfarreien (zur Pfarrei am vormittag nehmen die Patres schon mal aus Angst die Brille ab, wenn sie sie betreten) mit fröhlicher und feierlicher Liturgie: eine Quelle der Freude und der Hoffnung in der oft trostlosen Situation.
Tags darauf erzählt uns ein Pater von seinen Prinzipien der Pfarreiarbeit: Identität stiften, die Leute rausholen aus der Anonymität, ihnen zeigen, wie wertvoll sie als von Gott geliebte Kinder in der weltumspannenden Familie der Kirche sind.
Auch an diesem Abend sehe ich fast nur Mütter, die Kinder dabei haben, keine Väter. "Die Ehe ist in Peru schwach entwickelt," erklärt uns diplomatisch ein Pater und fügt hinzu, dass 50% der Kinder ohne Vater aufwachsen.
Michael Fuchs

Hoffnung konkret

"Die Stadt" Lima sehen wir nicht, als wir in einen der neuen, durch die Landflucht aus dem Boden schießenden Distrikte fahren, dafür "Städte": Nach endlosen einfachen "Quadros" (mit 2-5-stöckige Wohnhäusern) tauchen die Glaspaläste der Baken auf, die uns beste Ordnung und Wohlstand vorgaukeln. Doch dann bricht diese Scheinwelt mit jeder Autoviertelstunde nach unten durch.
Auf der Panam-Autobahn, die ganz Amerika durchzieht, kommen wir in einen langen Stau: Eine Baustelle? Beim Vorbeifahren stockt uns der Atem: Neben einem Motorrad liegt bäuchlings ausgestreckt der Fahrer, alles ist voller Blut, zwei Helfer heben seine durchgestreckten Arme (Warum?). "Tot?" fragt der Bischof. "Totalmente", ist die kurze Antwort von P. Felipe, und es dauert einige Kilometer, bis wir wieder reden und ein kurzes Gebet sprechen können.
Längst sind wir wieder von der Nord-Süd-Panamerikana weg in Richtung Berge. Sandberge, trotzdem notdürftig von unten bebaut, solange der Untergrund hält. In einer engen, steilen Gasse halten wir.
Hier liegt ein neues Zentrum der "Missionare von der Versöhnung des Herrn der Wunder", wie die Kongregation von Padre Felipe heißt. Ein anderer "Missionero" und eine freudige Schar von Frauen und Kindern führt uns in die neu errichtete Kirche. Einige Frauen des Pfarrgemeinderats erklären, welche Hoffnung von dieser Kirche und von dem darunterliegenden Nähprojekt ausgeht, das Frauen nähen lernt, damit sie es weiterlehren und sie teilweise auch einer Näharbeit nachgehen können.
Bei all der bitteren Armut: Die Frauen wirken edel, selbstbewusst und stolz. Sie organiseren wichtige Schritte der Hoffnung, und als unser Bischof von der katholischen Kirche als einer weltumspannenden, großen Familie spricht, wissen sie, wie das konkret aussieht. Nach vielen Liedern und dem Segen wollen die "Familienfotos" kaum enden.
Zu Mittag sind wir im Haus der sutdierenden "Missioneros". 31 junge Männer bereiten sich 11 Jahre lang (!) auf die Ewige Profess vor, 38 haben es schon geschafft. (Ich rechne kurz durch, wieviel Plätze bei dem Zahlenverhältnis unser Priesterseminar bräuchte. :-) )
P. Felipe erzählt von seinem Konzept: Von Anfang an nur Peruaner aufzunehmen und damit den entscheidenden Schritt zu einer personell eigenständigen Kirche in Peru zu gehen.
Michael Fuchs

Mittwoch, 26. November 2008

In Ventanilla - wo die Gemeinschaft der Kirche beinahe mit den Händen zu greifen war







Nach einem Mittagessen bei den Misioneros de la Reconciliación wird eine Schwesterngemeinschaft am Rande der Stadt besucht. Der Weg dorthin führt durch Wüste, dort gibt es nicht mehr als Steine und entstehende Siedlungen, oft nur Bretterhütten. Die Schwesterngemeinschaft sind Franziskanerinnen aus Vierzehnheiligen (Oberfranken), die hier ein Exerzitienhaus unterhalten. Zwei der Schwestern, Sr. Consilia und Sr. Salesia, stammen aus dem Bistum Regensburg, aus der nördlichen Oberpfalz und aus dem niederbayerischen Teil. Junge peruanische Schwestern sind mit ihnen.

Auf dem Weg zu den Misioneros de la Reconciliación in Ventanilla, in einem weit entfernten anderen Stadtteil, fällt die bedrückende Wirklichkeit der Riesenstadt - sie gleicht einem Koloss - einmal mehr ins Auge. Kilometerweit Siedlungen, die von ärmlichsten Wohnverhältnissen geprägt sind. Die Menschen wirken abgestumpft. Sie können dem dauernden Krach, Schmutz und der Gefahr nicht entfliehen. Jeder versucht durchzukommen, so wie er es kann.
Ventanilla ist eine junge Siedlung am Hang. Immerhin: Leuchten geben auf den Straßen Licht. Wichtiger Mittelpunkt der Siedlung ist die neue katholische Kirche, direkt davor blanker Sand, keine befestigten Straßen. Auch hier haben die Misioneros die Seelsorge übernommen. Das Geld für den gelungenen Kirchenbau - ein Plakat des Bischofs ist an der Front befestigt - stammt wie schon in Yerbateros aus Regensburg. Aber auch hier gilt, dass der Bischof alles andere als ein Unbekannter ist. Er, der vor vielen Jahren begann, die damals noch ganz junge Gemeinschaft zu unterstützen, trifft immer wieder auf junge Priester, deren akademischer Lehrer er in Peru war. Mit allen Menschen, darunter vor allem jungen Menschen, unterhält sich Bischof Gerhard Ludwig Müller fließend auf Spanisch.
Drei junge Ordensleute aus Peru legen während des Gottesdienstes ihre endgültigen Gelübde ab. Padre Felipe sitzt neben dem Bischof. Übrigens sind die Misioneros ein Orden, dem derzeit nur Peruaner angehören, und der sich um die Missionierung in Peru kümmert. Die Gemeinschaft der Missionare entwickelt sich sehr gut.
Nach dem bewegenden Gottesdienst, an dessen Ende zahlreiche Lebehochs ("Viva!") u. a. auf den Heiligen Vater in Rom ausgebracht worden sind, herrscht frohe Stimmung, die überdeutlich mit der bedrückenden Lebenswirklichkeit der Menschen kontrastiert. Der Bischof wird nicht müde, auf die Bedeutung der Solidarität und der Familie hinzuweisen. Die Menschen fühlen sich bestärkt, denn sie wissen, was die Familie für sie bedeutet. Am Ende drängt es viele Gläubige, mit Bischof Gerhard Ludwig buchstäblich in Berührung zu kommen. Sie strömen zu ihm und er segnet die Menschen, immer wieder segnet er die gerührten Menschen. Auch die zahlreichen Mitglieder der Gesangsgruppe der jungen Pfarrei kommen eigens und lassen sich gerne fotografieren. Die große Gemeinschaft der Kirche ist beinahe mit den Händen zu greifen.

Yerbateros




Besuch in Yerbateros, wo die Misioneros de la Reconciliación del Senor de los Milagros eine Pfarrei betreuen. Es ist nicht einfach, das richtige Wort für die Beschreibung der Wohnverhältnisse zu treffen. Sie sind sehr ärmlich, aber damit ist das Eigentliche nur ungenügend beschrieben. Es ist bedrückend zu sehen, wie Menschen hier (über)leben.

Und dennoch: Sie freuen sich über den Besuch des Bischofs. Das Bistum Regensburg hat den Bau der Kirche finanziert. Hier zeigt sich aber, dass es um viel mehr geht als nur die Finanzierung einer Kirche. Viele Menschen kommen eigens, um dem Bischof und weiteren Vertretern des Bistums Regensburg zu begegnen. Und es sind echte Begegnungen: spontan und von einer besonderen Herzlichkeit getragen. Eine Frau, die Mitglied des Pfarrgemeinderats ist, steht auf und berichtet vom Leben in der Pfarrei. Auch Weihbischof Adriano Tomasi, einer der Weihbischöfe von Lima, ist gekommen. In der neuen Kirche, an deren Bau sich auch Kolping-Mitglieder aus der Diözese Regensburg beteiligten, steht der Schriftzug neben dem großen Kreuz an der Wand hinter dem Altar "Mich dürstet" (Tengo sed).
Ein Stockwerk unterhalb der Kirche, die das Patrozinium der seligen Teresa von Kalkutta trägt, wurde eine Nähwerkstatt eingerichtet, die zahlreichen Frauen Arbeit gibt. Immer wieder suchen Gläubige die Nähe zu Bischof Müller, werden gesegnet. Am Ende ist immer wieder die Bitte zu hören, doch wiederzukommen. Und: "Vergessen Sie uns nicht." Das ist ganz praktisch gemeint, denn die vielen Menschen wissen, dass sie vergessen sind, in einer Stadt, die sich immer weiter ausbreitet und die gar keine innere Struktur hat.

Das Viertel Yerbateros liegt an einem steilen Hügel; die Hauptstraße dorthin ist eine wie sie es tausende in ganz Lateinamerika gibt: breit, laut, extrem befahren und voller Abgase, die aus schlecht verbrennenden Motoren stammen. Schwere Busse, in denen Menschen zusammengepfercht sind, rattern über die Löcher hinweg. Der Straßenbelag ist vielfach zerstört, Besserung nicht in Sicht. An den Kreuzungen versuchen Menschen, Geld mit dem Verkauf von Getränken oder Eis oder Sonstigem zu verdienen. Die Abgase sind unerträglich. Wie halten diese Menschen den Dauerqualm und -lärm überhaupt aus?

Das erste große Interview - Bischof grüßte alle Peruaner von Papst Benedikt XVI.

Bischof Gerhard Ludwig gibt in diesen Minuten sein erstes umfassendes Interview, im Wohnzimmer des Pfarrhauses des deutschsprachigen Gemeinde. Interviewpartner ist Kurth Mendoza Gutierrez, Medienreferent der Katholischen Universität von Peru. Frau Ordinariatsrätin Maria Luísa Öfele, die muttersprachlich auch Spanisch spricht, ist ebenfalls anwesend. Allerdings hat sich Bischof Gerhard Ludwig bereits am ersten Tag voll in der spanischen Sprache eingefunden, so dass allenfalls besondere Fachausdrücke den Bischof kurz zu ihr blicken lassen.
Der Bischof spricht von einer "großen Ehre", die damit einhergeht, dass ihm in wenigen Tagen die Ehrendoktorwürde der Katholischen Universität von Peru verliehen wird. Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger sow der Kardinal Rodriguez von Honduras haben sie vor ihm erhalten. Als Bischof Gerhard Ludwig wegen der Edition der Gesammelten Schriften des Heiligen Vaters in Audienz beim Heiligen Vater war, so berichtet er jetzt, hat Papst Benedikt XVI. ihm anlässlich dieser Auszeichnung persönlich gratuliert. Bei der Gelegenheit dieser Audienz sprach der Papst über seinen Aufenthalt in Peru – das war 1984. Außerdem hat Papst Benedikt Bischof Gerhard Ludwig bei dieser Gelegenheit aufgetragen, "alle Peruaner" herzlich von ihm zu grüßen. Kurth Mendoza ist gerührt und bedankt sich gleich während des Interviews für die Grüße aus Rom.
Dann geht das Interview zu einem ganzen Bündel von Themen, unter anderem auch ökumenische Beziehungen und die Aufgaben einer katholischen Universität. Der Bischof sagt, dass das "Nagen" der Sekten in Lateinamerika an der katholischen Kirche, das heißt: die Proselytenmacherei unter Katholiken, schlecht ist. Sie widerspreche der Ökumene. Wenn missioniert werden solle, dann bitte nicht auf dem ohnehin katholischen Kontinent Südamerika, sondern zum Beispiel in China. In wenigen Minuten kommt Padre Felipe, langjähriger Freund des Bischofs, um in den folgenden Stunden zusammen ein Hilfsprojekt bei Lima anzusehen. "Bei Lima" ist allerdings ein dehnbarer Begriff, denn die Acht-Millionen-Einwohner-Metropole bringt häufig extrem lange Wege mit sich, zu den Stoßzeiten auch Chaos im Straßenverkehr und viel Stau.
Heute abend um 19 Uhr wird dann die Heilige Messe bei Padre Felipe gefeiert, während der drei Ordensleute ihre Ewige Profess ablegen. Jetzt wird aufgebrochen.

Angekommen


Der zwölfstündige Flug von Madrid nach Lima schien nicht enden zu wollen. Liegen Welten dazwischen? Jedenfalls werden Bischof Gerhard Ludwig Müller und ich am Flughafen sehr freundlich empfangen: Der frühere, langjährige Leiter des Instituts für Demokratie und Menschenrechte, Dr. Salomon Lerner, war selbst gekommen.

Im Auto war dann schnell klar: Die beiden kennen sich lange, und: Diese weit entfernte, andere Welt ist die zweite Heimat des Bischofs. Zum 16. Mal ist er in Peru.

Im Hupkonzert der abendlichen Rush-Hour in der Acht-Millionen-Stadt deutet er immer wieder auf bekannte Straßen und Häuser, erkundigt sich über die politische Situation nach dem Regierungswechsel und freut sich darauf, dass am Freitag sein Freund Gustavo Gutierrez eigens aus den USA anreisen wird.

Der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde Tibor Szeles - ein Freiburger Diözesanpriester mit schwarzem Bart - ist erst seit September hier und erzählt mit strahlenden Augen über seine 200-Seelen-Gemeinde (manche fahren eine Stunde zur Sonntagsmesse!) und seine kleine Pfarrhof-Farm mitten in der Metropole. Er überlegt, sich wie sein Vorgänger einen Hund anzuschaffen - wegen der Sicherheit -, und mehrere Bewegungsmelder.

Ich erinnere mich an die Warnung des Piloten vor Taschendieben, an die verschlossene Hintertür des Autos, an die gestiegene Zahl an Mordfällen, von denen Dr. Lerner erzählte. Die enormen sozialen Unterschiede führen zu großen Spannungen, die sich immer wieder gewaltsam entladen. Wie soll Kirche darauf reagieren?

Womit wir schon beim Thema der Ansprache des Bischofs am kommenden Freitag wären. Und bei den Projekten und Gesprächen, die vor uns liegen. Doch alles zu seiner Zeit.

Erst mal falle ich nach einem 24-Stunden-Tag todmüde ins Bett.

Michael Fuchs

Dienstag, 25. November 2008

Ankunft von Bischof Gerhard Ludwig Müller


Eine Kamera am Leitwerk des Airbus zeigte, wie das eigene Flugzeug, herabsteigend von den Anden-Höhen, über das Lichtermeer Limas hinweg einfliegt. Lima, Perus Hauptstadt, hat acht Millionen Einwohner, ähnlich wie Bogotá. Allerdings liegt es am Pazifischen Ozean. Das Meer ist nur wenige hundert Meter von der Kirche St. Josef der Deutschen Gemeinde entfernt. Das Klima ist mild, heute um die 20 Grad. Die Fahrt vom frisch renovierten Flughafen zur Gemeinde zeigt saubere Straßen und, wie in den Metropolen Lateinamerikas üblich, viele Busse. Die Luftverschmutzung ist weniger belastend als in anderen Riesenstädten. Offenbar zieht viel davon über dem Ozean ab. Viele Lichterspiele an den Hauptstraßen, ein gutes Zeichen: die Menschen trauen sich auch noch in der Dunkelheit auf die Straßen. Im Zimmer angekommen dringt im ersten ruhigeren Moment der Reise der geräuschvolle Straßenverkehr ins Ohr, es wird viel gehupt.

Das Leben in der Deutschen Gemeinde ist geprägt von der Feier gemeinsamer Gottesdienste, aber auch gemeinsamer Aktivitäten. In Kürze werden "waffeles alemanes" - deutsche Waffeln - gebacken. Allerdings herrscht freudige Stimmung - wegen der Ankunft von Bischof Gerhard Ludwig. William, der Mesner der deutschen Gemeinde, gestaltet Blumen zu einem geschmackvollen Gesteck zusammen. Eines hat sich seit meinem letzten Aufenthalt in Bogotá jedenfalls nicht geändert: die Menschen sind sehr freundlich und stets hilfsbereit.

Die Päpstliche Katholische Universität von Perú ernennt Bischof Gerhard Ludwig Müller zum doctor honoris causa


In einem persönlichen Schreiben an Bischof Gerhard Ludwig Müller teilt der Generalsekretär der Päpstlichen Katholischen Universität von Perú, René Ortiz Caballero, die Ernennung zum doctor honoris causa mit.Lesen Sie hier den gesamten Brief mit den Begründungen des Universitätsbeirats zur Ernennung.

Pontificia Universidad Católica del Perú Secretaría General

Lima, 16. Oktober 2008

Hwst. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerhard Ludwig MüllerBischof von Regensburg

Mit besonderer Freude teile ich Ihnen hiermit die Vereinbarung des Universitätsbeirats in seiner Sitzung vom 24. September 2008 mit:

Auf Vorschlag des Präsidenten des Instituts für Demokratie und Menschenrechte, Prof. Dr. Salomón Lerner Febres, Hwst. Herrn Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller zum doctor honoris causa der Pontificia Universidad Católica del Perú (Päpstliche Katholische Universität von Perú) zu ernennen, und unter Berücksichtigung, dass:

- Bischof Müller, Bischof von Regensburg/Deutschland, Doktor der Theologie, ein hervorragender Experte in der Ökumene, in der theologischen Hermeneutik, im priesterlichen und diakonischen Dienst ist;

- Das Werk von Bischof Müller ein wichtiger Beitrag für das Studium der Theologie im Licht der Lehre der Kirche, der aktuellen Themen katholischen Denkens, wie beispielsweise der Dialog der katholischen Kirche mit den orthodoxen Kirchen und den Kirchen aus der reformatorischen Tradition ist;

- Er umfangreiche Beiträge zu den Themen Weihesakrament, der Rolle der Frau in der Kirche, der Würde der menschlichen Person und des theologischen Denkens Benedikts XVI. verfasst hat;- Bischof Müller darüber hinaus einen großen Teil seiner wissenschaftlichen Tätigkeit der Reflexion über grundlegende Themen des katholischen Glaubens immer aus der Perspektive ihrer Bedeutung für die heutige Welt gewidmet hat, wie z.B. die Lehre über die Dreifaltigkeit, die Eucharistie, die Jungfrau Maria, die Gemeinschaft der Heiligen und die christliche Liebe;

- Durch sein Werk – aus dem seine „Katholische Dogmatik. Für Studium und Praxis der Theologie“- herausragt, die bereits in 7. Auflage (2007) erschienen ist und in italienischer, spanischer und ungarischer Übersetzung vorliegt, Bischof Müller ein Standardwerk für die internationale theologische Forschung entwickelt hat;

- Mit „Die Heilige Messe – Quelle christlichen Lebens“ (2002) er einen entscheidenden Beitrag zur Eucharistie- und Sakramentenlehre leisten konnte, die er unter ökumenischen Vorzeichen bereits bei Dietrich Bonhoeffer („Theologie der Sakramente bei Bonhoeffer“ 1979) umfassend bearbeitet hat;

- Er mit umfangreichen aktuellen Beiträgen zur gegenwärtigen theologischen Diskussion ein vielbeachteter Gesprächspartner in der Wissenschaft und in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen ist;
- Das große Interesse, dass Bischof Müller der Theologie Südamerikas entgegenbringt sich in den zahlreichen Gastvorlesungen in Südamerika und in der zusammen mit Gustavo Gutiérrez herausgegebenen Publikation „An der Seite der Armen. Theologie der Befreiung“ (2004) zeigt;

- Sowie in der jahrelangen Mithilfe in der Seelsorge in den Campesino Gemeinden Perus, in denen er als Bischof später die Firmung spendete und bis heute eng verbunden ist;

- Papst Benedikt XVI. ihn mit der Herausgabe seiner „Gesammelten Werke“ beauftragt hat, die in den nächsten Jahren als eine 16 Bände umfassende Edition von internationaler Bedeutung sein wird. Mit der Theologie Papst Benedikts XVI. beschäftigte sich Bischof Müller bereits in der 2007 erschienen Studie „Der Glaube ist einfach – Aspekte der Theologie Benedikts XVI.“

- Als langjähriges Mitglied der „Internationalen Theologischen Kommission“ und als Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre übernimmt Bischof Müller Verantwortung für die Weltkirche;

- Bischof Müller wurde für seine hervorragende wissenschaftliche Tätigkeit durch die Katholische Universität von Lublin und durch die Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität in Warschau mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.

Der Beschluss des Universitätsbeirat lautet:

Hwst. Herrn Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller in Anerkennung seines vorbildhaften und fruchtbaren Beitrags zur theologischen Diskussion der Gegenwart zum doctor honoris causa der Pontificia Universidad Católica del Perú (Päpstliche Katholische Universität von Perú) zu ernennen. Die Verleihung der Ehrendoktorwürde findet im Rahmen eines Festaktes am 28. November 2008 in Lima statt.

Hochachtungsvoll
RENÉ ORTIZ CABALLERO
Generalsekretär